Reiseberichte Chile



Nördliches Chile

15. – 22.09.2013

Trostlose Wüsten und das Tal des Mondes, Baden wie im Toten Meer und Autowaschfrust.

Von der Grenze bis nach San Pedro de Atacama geht es immer weiter bergab, der Sonne entgegen, und endlich können wir mal wieder richtig durchatmen. Aber dann fällt uns siedend heiß ein, dass unser Kühlschrank ja noch voll ist und man ja eigentlich keine frischen Lebensmittel mit ins Land bringen darf. Also stoppen wir kurzerhand wenige Kilometer vor San Pedro de Atacama, wo sich Einreise und Zoll befinden, am Straßenrand und fangen an zu kochen. Trotzdem müssen wir uns beim Zoll (der tatsächlich um 9:00 Uhr abends noch geöffnet hat) noch von zwei Eiern, einer Zwiebel und einigen Knoblauchzehen trennen.

 

Obwohl wir bei den Preisen fast hinten überfallen (definitiv ein Minuspunkt fürs Land), gönnen wir uns zwei Nächte auf dem Parkplatz vom Hostal Takha Takha, um ausgiebig die heiße Dusche zu nutzen. Was für ein Luxus! Aber dafür ist der Wein in Chile verdammt günstig und lecker. Wo bekommt man schon zwei Liter für gerade mal 1.800 chilenische Pesos (2,70 Euro)? Das ist sogar billiger als Trinkwasser! Damit wären wir bei einem Punktestand von 1:1.

 

Wir besuchen das Vale de la Luna mit seiner trostlosen, aber auch interessanten Landschaft. Und würde uns nicht der starke Wind, der jeden Nachmittag aufzieht, den Sand ins Gesicht blasen, könnten wir den Sonnenuntergang auch mehr genießen. Das macht dann schon 2:1 gegen Chile auf unserer momentanen Gefühlsskala.

 

Am nächsten Tag geht es weiter zur Laguna Cejar, auf der man wegen ihres hohen Salzgehaltes schweben kann wie im Toten Meer. Nur leider ist das Wasser so verdammt kalt, dass wir es nicht länger als für ein Foto ausgehalten haben. Aber schön sieht sie aus! Die Nacht wollen wir auf dem Parkplatz neben der Lagune verbringen. Die nette Frau, bei der wir den Eintritt gezahlt haben, meint auch, das wäre kein Problem. Aber dann werden wir mitten in der Nacht unsanft aus dem Schlaf gerissen und von einem Wachmann vertrieben. Im Stockdunklen landen wir auf dem einzigen Campingplatz in San Pedro, der noch offen hat. Eigentlich ein totales Drecksloch! (3:1).

 

Da wir momentan keine Lust haben, wieder in die Höhe zu fahren, begeben wir uns an die Küste - durch den wohl häßlichsten Teil der Atacama Wüste. Eigentlich haben wir eher das Gefühl, hunderte von Kilometern durch eine Schutthalde zu fahren. (4:1) Und auch der Campingplatz in Antofagasta ist schon fast eine Zumutung, aber irgendwie finden wir auch nichts anderes. (5:1)

 

Aber da wir schon mal in einer größeren Stadt sind, wird es Zeit, unseren Toyo endlich vom Salz und Dreck zu befreien. Schließlich gibt es hier wieder Tankstellen mit richtigen Waschplätzen (5:2). Genau das, was wir gesucht haben. Zumindest bis der Manager nach 15 Minuten rauskommt und sich beschwert, dass wir zu lange brauchen und andere Kunden ja auch warten würden! Ah ja! (6:2)

 

Wir fahren weiter Richtung Süden, aber irgendwie will uns die Wüste hier nicht so richtig begeistern. Grün ist doch so schön! Vogelgezwitscher ist toll! Aber hier ist alles nur trostlos, still und tot! Und an der Küste verläßt uns auch noch die Sonne und wir werden vom tristen Küstennebel eingehüllt. (7:2)

 

Also verlassen wir auch die Küste wieder und fahren zurück in die Anden. Und da wir kein Fleckchen Erde finden, das uns so richtig gefällt fahren wir weiter und weiter und weiter. Von Meeresniveau schrauben wir uns immer weiter in die Höhe, bis wir schließlich am chilenischen Zoll ankommen. Bei frostigen 0 Grad und einem eisigen Wind müssen wir fast eine Stunde warten, bis wir endlich ausreisen können. (8:2) Nach weiteren 100 Kilometern Wellblechpiste betreten wir auf 4.725 Metern am Paso San Francisco argentinischen Boden.

 

Und so verlassen wir nach nur einer Woche mit einem nicht so berauschenden und zugegebenermaßen sehr subjektiven Punktestand von 8:2 gegen Chile das Land. Aber wir werden Chile noch eine zweite Chance geben. Etwas später und viele hunderte Kilometer weiter südlich.



Careterra Austral

15. – 25.11.2013

Die Serengeti des Südens, Mamutblätter a la Jurassic Park, hängende Gletscher, unser erster Mate und verregnete Fjorde.

An dem kleinen chilenischen Grenzposten am Paso Rodolfo Roballos ist doch tatsächlich die Hölle los. Also zumindest gemessen an der abgeschiedenen Lage des Grenzhäuschens. Ganze fünf Leute wollen ausreisen, während wir einreisen wollen. Schnell kommen wir ins Gespräch, das deutsche Kennzeichen fällt halt auf. Und wir beantworten die üblichen Fragen: Wie lange reisen wir?, Wo kommen wir her, wo gehen wir hin? Und so weiter und so weiter. Als wir erzählen, dass wir noch zu den Iguazú Wasserfällen wollen, schaltet sich ein sympatischer, gut gekleideter, älterer Herr ein, dem Akzent nach US Amerikaner. Wir sollen auf dem Weg auf jeden Fall das Reserva Nacional del Iberá besuchen. Schnell ist Papier und Stift gezückt und er schreibt uns ein Paar Tips auf, bevor der Grenzbeamte ungeduldig wird und jeder seines Weges geht.

 

Als wir wieder im Auto sitzen, starre ich auf den Zettel mit seinem Namen: Douglas Tompkins. Mmh, irgendwie kommt mir der Name bekannt vor. Aber mir fällt einfach nicht ein woher. Naja, also packe ich den Zettel erstmal weg und schnappe mir den Reiseführer. Man will ja schließlich wissen, wo man gerade ist.

 

„Etwa 32 km nördlich von Cochrane beherbergt das Gebiet einer ehemaligen Estancia Flamingos, Guanakos, Andenhirsche, Viscachas und Füchse. Das als Serengeti des Südkegels bezeichnete Valle Chacabuco umfaßt eine Fläche von 690 km² und soll zum Nationalpark erklärt werden. Das Ehepaar Tompkins erwarb die heruntergekommene Ranch für die Stiftung Conservacion Patagonica mit dem ehrgeizigen Ziel, den Parque Nacional Patagonia zu schaffen...“ Und weiter vorne im Reiseführer steht: „Ökobarone, die ihre Dollars in die grüne Sache investieren, haben den Umweltschutz im südlichsten Teil Südamerikas auf unauslöschliche Weise geprägt. Mit an der Spitze steht dabei der US-amerikanische Unternehmer Douglas Tompkins, der Begründer der Modelabels Esprit und North Face...“ Oh, okay, ich wußte doch, der Name kommt mir bekannt vor.

 

Aber zurück zum Valle Chacabuco. 644 Kilometer Weidezäune wurden hier bereits entfernt und wir sind überrascht, wie viel freier sich nicht nur die riesigen Guanakoherden hier fühlen. Auch wir genießen es mal, nicht über eingezäunte Straßen zu fahren und auf einer saftigen Löwenzahnwiese übernachten zu können.

 

Am nächsten Tag treffen wir auf die berühmte Careterra Austral. Bei schönstem Wetter genießen wir die traumhafte Landschaft, die Straße schlängelt sich an leuchtend türkies-blauen Flüßen entlang, schneebedeckte Gipfel umgeben uns, die Vegetation wird immer üppiger und die Sonne glitzert in den Seen.

 

Als wir in Puerto Río Tranquilo ankommen geht es ganz schnell. Wir finden direkt eine Bootstour zu den Capilla de Mármol, der wir uns anschließen können. Und eh wir uns versehen, sitzen wir in einem kleinen Bötchen und schippern über den Lago General Carrera. So fällt uns leider zu spät auf, dass wir beim vorher noch eiligs gekauften Sandwich zu wenig Rückgeld bekommen haben. Echt ärgerlich. Die weiß, grau gemaserten Marmorhöhlen sind wirklich wunderschön. Aber mein lieber Scholli, ich habe noch nie bei so einem Wellengang in einer so kleinen Nußschale gesessen... Der patagonische Wind peitscht den See auf als wären wir auf dem offenen Meer.

 

Am nächsten Tag verschwindet alles hinter Wolken und Regen und unsere Aufmerksamkeit richtet sich umgeteilt auf das nervenaufreibende Geholper und Gepolter der Schotterstraße. Plock, schon wieder ist das Navi runtergehüpft. Pock, und die Cola Flasche fliegt durchs Auto (gut, Kohlensäure ist bei dem Gerüttel eh nicht mehr drin). Mmh, das Geklapper kennen wir noch nicht. Klingt irgendwie komisch. Also erst mal suchen und, ah ja, der Batteriehalter im Moterraum hat sich losgerüttelt.

 

Da bisher alle Campingplätze auf dem Weg noch geschlossen hatten sind wir froh, als wir das Reserva Nacional Cerro Castillo erreichen und der dortige Platz tatsächlich offen hat. Das beste aber ist, es gibt sogar heiße Duschen! Zumindest wenn man vorher den Holzofen anschmeißt. Und während mal wieder ein Schnee-Regenschauer vorbeizieht, knistert im Ofen ein schönes Feuer und wir genießen die super heiße Dusche. Und da Feuer machen ja so viel Spaß macht, gibt es danach auch gleich noch ein großes Lagerfeuer.

 

Auch der nächste Übernachtungsplatz, diesmal westlich von Coyhaique, ist ein Highlight auf der Strecke. Diesmal aber weniger wegen der Natur, sondern vielmehr wegen der Besitzer. Nacho, ein gebürtiger Spanier, lebt hier mit seiner chilenischen Frau Sandra und ihrer Tochter. Als wir ankommen turnt er eigentlich gerade auf dem Dach rum. Der patagonische Wind hat letzte Nacht einen Baum aufs Haus gekippt und die Stromleitung beschädigt. Aber das hält ihn nicht davon ab uns erstmal auf eine Runde Mate (ein in Südamerika weitverbreitetes Aufgussgetränk) einzuladen. Gemütlich sitzen wir in der Küche zusammen mit seiner Frau und seiner Tochter und reichen den Matebecher rum. Etwas bitter im Geschmack und etwas gewöhnungsbedürftig durch den „Strohhalm“ zu trinken, schmeckt es eigentlich ganz gut. Und abends sitzen wir bei Gitarrenmusik ums Lagerfeuer.

 

Auf dem Weg Richtung Norden wird die Landschaft immer unwirklicher. Wir kommen vorbei an Riesenfarnen und Mamutblättern die so groß sind, dass sich ein Erwachsener locker dahinter verstecken kann. Fehlt nur noch, dass Tyrannosaurus rex und Co an uns vorbeilaufen und Flugsaurier über unsere Köpfe gleiten.

 

Das Wetter wird leider immer unbeständiger. Den einen Tag verbringen wir bei useligem Nieselregen im Auto und am nächsten können wir schon wieder bei zumindest teilweise blauem Himmel zum hängenden Gletscher im Parque Nacional Queulat wandern. Nur um kurz danach wieder im Regen zu stehen. Es geht vorbei an Chaitén, wo nach dem Vulkanausbruch 2008 immer noch einige Häuser voll Asche sind, und zum Parque Pumalín. Aber auch hier vertreibt uns der Regen schneller als gedacht und auch bei der anschließenden bestimmt grandiosen Fährfahrt durch die Fjorde sehen wir außer Wasser von unten und von oben leider nicht viel.

 

Die letzten Stunden in Chile zeigt sich das Wetter noch mal von seiner besten Seite. Bei strahlend blauem Himmel mit einem traumhaften Blick auf den schneebedeckten, perfekt geformten Gipfel des Vulkans Osorno verlassen wir über den Paso Cardenal Samoré das Land und reisen zum vierten Mal nach Argentinien ein.

 

Ach ja, wir haben nach unserem ersten Besuch in Chile das Land mit einem Punktestand von 8:2 verlassen. Gut, für das Wetter müssen wir leider noch mal einen Minuspunkte verteilen. Aber für die grandiose Landschaft gibt es locker sieben Pluspunkte, womit wir bei einem klaren Unentschieden wären.