Reiseberichte Perú



Nördliche Küste

10. – 17.06.2013

Straßen mit Überraschungen, trostlose Wüsten, ärmliche Hütten und zerflossene Kulturen.

Wir sind immer noch auf dem gleichen Kontinent, im gleichen Kulturkreis. Wir sind nur wenige Kilometer gefahren und haben eine imaginäre Linie überquert. Und doch sind wir plötzlich in einer ganz anderen Welt. Die Landschaft ist trocken und trostlos. Die Behausungen am Straßenrand sind ärmlich und bestehen teilweise nur aus geflochtenen Schilfmatten. Kein Schutz gegen den allgegenwärtigen Staub. Bunte Farbtupfer am Straßenrand entpuppen sich als Berge von Plastikmüll. Und es liegt ein Geruch nach Verkohltem, Kloake, Abfall oder Fischmehl in der Luft. Perú zeigt sich nicht gerade von seiner schönsten Seite.

 

Unsere erste Mission in Perú: Geld holen. In der Stadt Tumbes machen wir uns auf die Suche nach einer Bank. Der Verkehr ist mörderisch. Überall um uns herrum schieben sich Tuc-Tucs, LKWs und Busse vorbei. Es wird gehupt und nicht gebremst und plötzlich - „Rumps“. Was war das denn? Wir schauen uns erschrocken an. Ich springe aus dem Auto und schaue mich um. Und traue meinen Augen kaum, als ich den Übeltäter entdecke. Mitten auf der Straße in der Kurve fehlt doch tatsächlich ein Gulliedeckel. Einen halben Meter im Durchmesser und mindestens einen Meter tief ist das Loch und wir haben es voll mit dem rechten Vorderrad erwischt. Naja, aber zum Glück ist außer dem Schrecken nichts passiert.

 

Und auch die Bank finden wir danach schnell. 400 Nuevo Soles (das macht gerade mal 110 Euro) können wir abheben und bekommen vier schöne 100 Soles Scheine ausgezahlt. Aber wie wir bald feststellen werden, ist das ein echtes Problem. Naja, zum einen kommt man mit 400 Soles nicht wirklich weit, wenn man tanken muss. Denn bei 14 Soles pro Gallone sind bei einem Tanken schnell mal über 200 Soles weg. Das viel größere Problem aber ist, dass die Peruaner per se kein Wechselgeld zu haben scheinen. Da will man 70 Soles für zwei Nächte campen mit einem 100 Soles Schein zahlen und es heißt „No tengo cambio!“ („Ich habe kein Wechselgeld“). 20 Soles Eintritt mit einem 50 Soles Schein - „No tengo cambio!“. Und auf dem Markt, wo Obst und Gemüse nur wenige Soles kosten, hat man selbst mit einem 10 Soles Schein kaum eine Chance...

 

Aber erst mal erreichen wir gut 60 Kilometer hinter der Grenze in Zorritos „Casa Grillo“, eine liebevoll angelegte Anlage mit Palapas und Hängematten, Restaurant und Hostel direkt am Meer. Die Sonne strahlt vom Himmel und wir machen es uns erstmal für drei Tage in der Hängematte gemütlich...

 

Und dann geht es doch weiter durch noch mehr Wüste und Trostlosigkeit. Aber selbst die zeigt sich manchmal auch von ihrer schönen Seite in sanft geschwungenen Sanddünen, als wir das Desierto de Sechura durchqueren.

 

450 Kilometer wollen wir heute fahren. Eigentlich nicht so das Problem, da es ja fast ausschließlich über die gut ausgebaute Panamericana geht. Wäre da nicht diese Demonstration, die in Sullana den Verkehr aufhält. Aber erst mal wissen wir nicht, warum es nicht weitergeht. Stattdessen tuckern wir hinter unzähligen LKW her oder besser gesagt stehen die meiste Zeit dumm rum. Nach fast einer Stunde passieren wir einen Polizeiposten, der uns eine Umfahrung zeigt. Schräg links über die Brücke, dann die nächste rechts und wieder links und wir sind zurück auf der Panamericana. Klingt ja ganz einfach. Bis kurz vor dem Ende der Brücke läuft auch alles gut. Aber dann ist ein Busfahrer der Meinung, dass er mit seinem „kleinen“ Bus doch ohne Probleme an dem LKW vor uns vorbei kommt und biegt zuversichtlich keine fünf Meter bevor der LKW über die Brücke drüber ist, auf selbige ein. Noch mal zurücksetzen bis der LKW rüber ist, wäre ja zu einfach. Also bleiben die beiden lieber voreinander stehen und fangen an zu diskutieren. Bald mischen sich immer mehr Leute ein und jeder fängt an rumzuwinken. Nur die Polizei, die hier zu Hauf mit ihren Maschinengewehren rumläuft, scheint es ebensowenig zu interessieren wie, dass einer von ihnen mit seinem Gewehrlauf an unserem Toyo vorbeischrabt. So ein Handy zum Spielen ist ja auch viel spannender.

 

Millimeter um Millimeter schieben sich die beiden Fahrzeuge schließlich aneinander vorbei und nach einer weiteren Stunde haben wir es zumindest über die Brücke geschafft. Aber das heißt leider immer noch nicht, dass der Verkehr wieder fließt. Mittlerweile tuckern wir hinter einem Rettungswagen her, den außer uns bisher keiner vorlassen wollte. Auch besagte Polizisten scheinen sich nicht dafür zu interessieren, dass der Rettungswagen durchgelassen wird. Erst der sechste der vorbeikommt fragt mal nach, ob der Transport dringend ist. Irgendwann kommt man auf die Idee die hochschwangere Frau aus dem Rettungswagen auf ein Tuc-Tuc zu verladen, aber dann läuft der Verkehr doch wieder und sie wird wieder ins Auto verfrachtet.

 

Fix und alle erreichen wir, nach mehrmaligem nach dem Weg fragen, die Rancho Santana. Seit über acht Jahren lebt Andrea aus der Schweiz hier und wir sind nach der anstrengenden Fahrt heil froh, dass wir zwischen ihren Pferden übernachten dürfen. Und wenn uns am nächsten Morgen nicht die gefräsigen Mücken vertrieben hätten, wäre zumindest ich noch gerne für einen Ausritt geblieben. Normalerweise gibt es übrigens um diese Jahreszeit hier keine Mücken, aber ein starker Regen vor zwei Wochen (das gab es seit Jahrzehnten nicht mehr) hat sie noch mal mehr als reichlich schlüpfen lassen.

 

Wir fahren kurz an den zerflossenen Pyramiden von Túcume vorbei, die über 1.000 Jahre alt sein sollen, und besuchen den Mercado de Brujos (Hexenmarkt) in Chiclayo. Oder besser gesagt ich, da Lukas wegen mangelnder sicherer Parkmöglichkeiten im Toyo bleibt. Neben dem üblichen Obst, Gemüse, Fleisch und Haushaltsdingen gibt es hier auch alles was das Hexerherz begehrt. Zauberstäbe und Gürteltierschwänze, ausgestopfte Affen und Amulette, und allerlei Tinkturen und Kräuter.

 

Als wir am Küstenort Huanchaco ankommen, können wir die Fischer mit ihren traditionellen Caballitos de Totora (Schilfrohrpferdchen) beobachten. Dabei handelt es sich um Totora-Schilf das so zusammengebunden wird, dass die Fischer, wie auf dem Rücken eines Pferdes sitzend, auf das Meer hinauspaddeln können. Wir schlendern an der Strandpromenade entlang, essen unsere ersten Papas rellenas (so eine Art gefüllte und fritierte Kartoffelklöße, die wir sonst nur vom Weihnachtsmarkt in Essen kennen) und trinken unseren ersten Pisco Sour, das Nationalgetränk Perús (aus dem Traubenschnaps Pisco, Limettensaft, Zuckersirup und Eiklar).

 

Am nächsten Tag statten wir der Ruinenstadt Chan Chan einen Besuch ab. Diese war einst, im Jahr 1.000 bis 1.450 n.Chr., die Hauptstadt eines mächtigen Reiches. Nein, nicht der Inka, sondern der Chimú. Aus luftgetrockneten Lehmziegeln, sogenannten Adobe, erbaut war sie in ihrer Blütezeit im 13. und 14. Jahrhundert wahrschinlich die größte Stadt der Welt. Heute läßt sich die einstige Pracht allerdings nur noch erahnen. Neben dem Zahn der Zeit und der Zerstörung durch den Menschen, ist die Lehmziegelstadt vor allem bei schweren Regenfällen buchstäblich zerflossen. Eigentlich regnet es hier ja nie, aber 1925, bei El Niño 1997/98 und im Jahr 2010 hat es dann doch mal richtig geschüttet.

 

Und auch an unserem zweiten Tag in Huanchaco steht Kultur auf dem Programm. Wir fahren zu den Pyramiden der Mochica, der Huaca de la Luna und Huaca del Sol. Diese sind sogar noch älter als Chan Chan, denn die Mochica hatten ihre Blütezeit 100 bis 800 n.Chr.

 

Von Huanchaco aus folgen wir noch ein Stückchen der Panamericana, bevor wir kurz vor Chimbote dem Río Santa in die Berge folgen.


Cordillera Blanca

17. – 25.06.2013

Schneebedeckte Gipfel, kleine Frauen mit großen Hüten, nervige Kühe, traumhafte Bergseen und abendteuerliche Straßen.

Als wir von der Panamericana in das breite Tal vom Río Santa abbiegen, ist die Straße gesäumt von saftig grünen Mais- und Zuckerrohrfeldern. Aber schon bald ändert sich das Landschaftsbild. Während das Tal immer schmaler wird, wird die Landschaft immer trockener und karger. Blanke Felswände und Geröll in allen erdenklichen Farbschattierungen von grau und beige umgeben uns. Selbst die Kakteen wirken irgendwie vertrocknet und die Dörfer durch die wir kommen irgendwie verlassen. Die Schlucht wird immer enger und enger bis Fluss und Straße sich gerade mal 15 Meter zwischen den steilen Felswänden teilen. Immer wieder muss die Straße im Cañon del Pato auf aus dem rohen Fels geschlagene Tunnel ausweichen. Ich habe nicht mitgezählt, aber laut Reiseführer waren es 35.

 

Und zum ersten Mal seit wir in Perú sind ist die Landschaft nicht geprägt vom Müll. Ganz im Gegenteil, als wir Caraz erreichen sind wir überrascht, wie aufgeräumt und hübsch der Ort ist. Zwischen der Cordillera Blanca mit ihren 16 schneebedeckten Gipfeln die über 5.000 Meter hoch sind und der etwas niedrigeren Cordillera Negra gelegen und dem strahlend blauen Himmel über uns ist die Atmosphäre echt toll. Wir verbringen einen ganzen Tag damit auf der Plaza in der Sonne zu sitzen und die Leute zu beobachten oder über den Markt zu schlendern. Immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich fasziniert den Frauen hinterher gucke. So irre sehen sie aus mit ihren knatsch bunten knielangen Petticoats, den farblich eigentlich gar nicht dazu passenden Wollleggins und Strickjacken. Und dazu diese riesig hohen Cowboyhütte die aus einer 1,50 Meter Indigena stolze 1,70 machen.

 

Vor Caraz aus fahren wir weiter hinauf in die Berge. Über diverse Serpentinen erreichen wir im Huascarán Nationalpark die Laguna Parón in samtigem Türkis mit dem wunderschönen schneebedeckten Gipfel des Nevado Pirámide im Hintergrund. Wir schlagen unser Nachtlager etwas oberhalb der Lagune am Refugium auf und machen uns über die Kuhfladen die hier rum liegen keine großen Gedanken. Statt dessen genießen wir den Rest des Tages die Aussicht. Auch mit der Höhe, wir sind immerhin auf 4.150 Metern, haben wir erstaunlicherweise keine Probleme. Naja, zumindest bis wir im Bett liegen und auf einmal unser Toyo anfängt zu wackeln und irgendetwas an ihm kratzt. Sofort springen wir auf und nach draußen in die frostig kalte Nacht nur um festzustellen, dass sich ein Rind mit der Nase an unserem Toyo schubbert. Diese kurze Anstrengung hat schon gereicht, dass ich total aus der Puste bin und mein Kopf wie verrückt anfängt zu hämmern. Nur leider scheinen unsere Verscheuchungsversuche die Rinder nicht wahnsinnig zu interessieren. Statt dessen sind es irgendwann fünf Rinder die sich abwechselnd schubbern. Wir springen noch mehrmals abwechselnd raus, bevor wir doch noch mehr schlecht als recht einschlafen.

 

Am nächsten Morgen ist die komplette Seite von unserem Auto mit – Igittt!!!! – schleimig grünem Kuhschnodder verschmiert. Und als wenn uns diese blöden Rindviecher damit nicht schon genug geärgert hätten, wollen zwei von ihnen uns doch tatsächlich nicht wieder die Straße nach Caraz runter fahren lassen. Sie trotten gemütlich vor unserem Toyo her und denken nicht im Traum daran Platz zu machen. Nach sechs Kilometern biegen sie endlich in die Büsche ab und wir freuen uns riesig! Naja, bis wir um die nächste Haarnadelkurve kommen und die beiden wieder vor uns stehen. Das ganze Spiel geht noch stolze fünf Mal so, bis wir schließlich ohne Rinder die Straße hinunter kurven. Aber nur ein paar Kilometer weiter südlich fahren wir wieder hinauf.

 

Bevor wir erneut in den Huascarán Nationalpark fahren wollen wir an der Llanganuco Lodge übernachten. Bis vor kurzem noch ein offizieller Campingplatz, ist jedoch der neue Besitzer aus Holland davon noch nicht so überzeugt. Da uns der Platz aber landschaftlich so gut gefällt und ich echt gerne eine heiße Dusche hätte diskutieren wir so lange, bis wir doch bleiben dürfen.

 

Nach einer erholsamen Nacht machen wir uns auf den Weg zum Pass Portachuelo de Llanganuco. Allerdings gefallen uns die Lagunas Llanganuco, die auf dem Weg liegen, so gut, dass es irgendwann zu spät ist noch weiter zu fahren. Eigentlich hatten wir ja überlegt am Ende der Lagunen auf der riesigen Campingwiese zu übernachten. Aber als wir die unzähligen Kuhfladen und mindestens 50 Rinder sehen... Nein danke, dann doch lieber zurück zur Lodge, auch wenn wir nicht so wirklich willkommen sind. Aber dafür werden wir mit einer traumhaft klaren Nacht, in der die schneebedeckten Gipfel vom Vollmond erleuchtet werden, entschädigt.

 

Am nächsten Morgen starten wir noch bevor die Sonne über die Berggipfel geklettert ist und das Gras noch silbrig vom Raureif glitzert. Wir fahren vorbei an den Lagunas Llanganuco und schrauben uns über eine Schotterpiste, häufig gerade breit genug für ein Fahrzeug, auf der einen Seite der Abhang auf der anderen die steile Felswand, in endlosen Serpentinen immer höher und höher. Wir sind selber fast so hoch wie der Mont Blanc und trotzdem umgeben uns riesige schneebedeckte Gipfel.

 

Wir kommen auf der unbefestigten Straße nur langsam voran. Und auch auf der anderen Seite des Passes sieht es nicht besser aus. Also besser im Sinne von weniger Kurven, breiterer Straße und weniger holprig und staubig. Landschaftlich ist die Strecke nämlich ein Traum! Nach sieben Stunden haben wir das keine 90 Kilometer entferne San Luis auf der Ostseite der Cordelliera Blanca erreicht. Aber wir wollen noch weiter bis Chavín de Huántar. Unser Navi kennt zwar keine Straße mehr, aber wir wissen, dass es eine gibt. Also fragen wir auf dem Dorfplatz nach. Zwei Stunden meint der nette Herr dann wären wir da. Okay, also dann eher drei Stunden für uns. Und in drei Stunden wird es dunkel. Knapp, aber könnte klappen.

 

Also fahren und holpern wir weiter von einem Tal zum nächsten und schlucken weiter Tonnen an Staub. Und immer wenn man es doch nicht gebrauchen kann wird man aufgehalten. Dann treiben plötzlich alle Einheimischen ihre Tiere nach Hause und blockieren die Straße. Dann ist eine Brücke gesperrt und wir gurken durch noch kleinere Dörfer ohne Beschilderung, ohne Navi, ohne Karte und fragen uns von Dorfplatz zu Dorfplatz durch. Auf dem einen sitzen nur betrunkene Jugendliche, die mit ihrer Kettensäge rumfuchteln, auf dem nächsten ist wegen eines Festes alles zugeparkt und wir kommen nur millimeterweise durch. Und dann, als es dunkel wird, sehen wir in der Ferne die Lichter von Chavín de Huántar. Puhhh, was eine Fahrt! Zum Glück müssen wir nicht lange suchen und können im Innenhof vom Hotel Inca übernachten.

 

Bekannt ist Chavín de Huántar für die wohl ältesten Steinbauwerke Perus. Wirklich viel weiß man über das um 400 bis 200 v.Chr. hier lebende Volk nicht. Aber vor allem die unterirdischen Gänge der Ruinen sind spannend. Als wir nach der Besichtigung zum Hotel zurückkommen, müssen wir erstmal warten, bis die Dorfschule ihren allsonntäglichen Marsch samt Flagge hissen beendet hat. Und dann geht es wesentlich entspannter über fast komplett asphaltierte Straßen zurück auf die andere Seite der Cordillera Blanca nach Huaraz.

 

Nach einer Nacht in Huaraz, der zwar neuesten (sie wurde mehrere Male durch Erdbeben zerstört und wieder neu aufgebaut), aber hässlichsten Stadt in der Cordillera Blanca, kehren wir den Bergen wieder den Rücken zu. Wir fahren durch eine weite Graslandschaft, die golden in der Sonne glänzt, noch einmal auf 4.000 Meter hinauf, bevor die Straße Meter um Meter Richtung Küste hin abfällt und die Landschaft mit jedem Kilometer wieder trockener wird.

 

In der trostlosen grau-braunen Landschaft tauchen auf einmal farbige Felder vor unseren Augen auf. Ich muss mehrmals blinzeln, aber tatsächlich: da leuchten gelbe und knallig rote Flecken. Und die Luft, die riecht nach – Chili!? Als wir näher kommen, sehen wir Unmengen an gelben und violetten Maiskolben und dazwischen Massen an leuchtend roten Chilischoten, die in der Sonne liegen zum trocknen. Wenige Kilometer später erreichen wir wieder Meeresniveau und die Panamericana. Und der strahlend blaue Himmel wird immer grauer und grauer als wir in den um diese Jahreszeit allgegenwärtigen Küstennebel eintauchen.


Von Lima bis Cusco

25.06. – 09.07.2013

Undurchdringlicher Küstennebel, mörderischer Verkehr, farbenprächtige Wüste, Linien aus einer anderen Zeit und Overlandertreff am Nabel der Welt.

Bevor wir uns ins Verkehrschaos der peruanischen Hauptstadt Lima stürzen, legen wir noch eine Nacht im Reserva Nacional Lomas De Lachay ein. Ein Naturpark auf ca. 600 Metern in dem sich zu dieser Jahreszeit der Wüstenboden durch Kondensation des Nebels in eine grüne Oase verwandelt. In der Schule hatte ich immer gelernt, dass es in den tropischen und subtropischen Gebieten unserer Erde eine Trocken- und eine Regenzeit gibt. Von einer Nieselregenzeit (Garúa) hatte ich beim besten Willen noch nichts gehört. Aber während es im Andenhochland trocken ist, umgibt uns jetzt eine wabbernde weiße Nebelmasse, teilweise so dicht, dass wir die Tropfen richtig spüren können.

 

Und dann geht es durch die trostlosen Vororte Limas hinein ins Verkehrschaos. Wir sind heilfroh als wir ohne Kratzer und Schrammen auf dem Parkplatz vom Hitchhikers Hostel im Nobelstadtteil Miraflores ankommen. Und beschließen spontan uns ein leckeres Essen vom peruanischen Starkoch Gastón Acuio zu gönnen. Er hat seine eigenen Kochshows und Kochbücher und gilt als Miterfinder der novoandinen Küche, die die Ressourcen Perus mit seinen über 3.000 Kartoffel-, 600 Obstsorten und Tomatenvarianten, 3.680 Arten Mais und 2.000 Arten Fisch nutzt. Gut, ein Essen in seinem Restaurant „Astrid y Gastón“ für US$200 können wir uns nicht leisten. Aber sein peruanisches McDonalds „Pasquale Hermanos“ sehr wohl. Und der Burger mit Kochbanenen, die knusprigen Pommes mit sechs verschiedenen Soßen und der frische Wassermelonensaft schmecken einfach himmlisch!

 

Fast eine Woche verbringen wir in Lima, wobei wir jeden Tag gemütlich damit verbringen morgens beim Bäcker um die Ecke köstliche frische Ciabattabrötchen, Brezeln und Croissonts zu kaufen und ausgiebig zu frühstücken.

 

Da wir immer noch kein Petroleum für unseren Kocher auftreiben konnten und uns der Alkoholkocher schon beim zweiten Abendessen im Stich gelassen hat. Als der Topf auf der unstabilen Konstruktion weggerutscht ist und sich die Suppe über dem Kocher ergoßen hat, haben wir uns in Lima noch einmal auf die Suche begeben. Und wir waren tatsächlich erfolgreich. Mal schauen wie sich der Neue mit seinen Gaskartuschen schlägt.

 

Und auch unser Multi-Fuel-Outdoor-Campingkocher läuft, seit wir von Petroleum auf Reinbenzin umgestellt haben, wie verrückt. Vielleicht sollten wir mal anfangen Testberichte über Campingkocher zu schreiben...

 

Auf unseren Streifzügen durch die Stadt müssen wir allerdings feststellen, dass es noch mörderischer ist zu Fuß zu gehen als mit dem Auto durch Lima zu fahren. Die Straße ohne Ampel zu überqueren ist schon abenteuerlich. Aber selbst bei einer grünen Fußgängerampel, bleibt der abbiegende Peruaner nicht etwas stehen, nein, er gibt noch mal Gas und wenn man Glück hat macht er einen durch Hupen und wildes Gestikulieren darauf aufmerksam, dass er einen fast überfährt!

 

Nach drei Tagen kommen auch Kathi und Martin vorbei, die wir seit der Verschiffung nach Kolumbien nicht mehr gesehen haben. Das muss natürlich gefeiert werden und zu erzählen gibt es auch genug.

 

Aber dann reißen wir uns doch los und es geht weiter die Küste entlang zur Paracas-Halbinsel. Bevor wir das Naturschutzgebiet Reserva Nacional Paracas erreichen, ist es allerdings der Duft diverser Fischmehlfabriken, der uns den Atem raubt. Ja und dann sind es die Sanddünen in samften Rosa, Klippen im leuchtenden Gelb, Strände in Dunkelrot und das azurblaue Wasser des Pazifiks. Die Wüste ist ein riesen Spielplatz für unseren Toyo, den wir von einer Düne zur nächsten jagen, bevor wir uns im Windschatten der Rangerstation schlafen legen.

 

Auf dem Weg nach Nasca stoppen wir kurz am Bilderteppich von Palpa, wo wir aber im dunklen Wüstenboden nur eine Spirale ausmachen können. Aber diese soll immerhin 2.500 Jahre alt sein. Und dann erreichen wir die berühmten Nasca-Geoglyphen. Diese in den Wüstenboden geritzten Linien, Flächen und Figuren haben schon vielen Archäologen, Mathematikern und Historikern Rätsel aufgegeben. Und auch bis heute ist noch nicht ganz geklärt warum es sie überhaupt gibt. Wir begnügen uns damit vom Aussichtsturm an der Panamericana einen Blick auf die zwei einhalb von hier aus sichtbaren Figuren zu werfen. Mit etwas Phantasie erkennt man wirklich einen Baum, zwei Hände und eine halbe Eidechse.

 

Und dann geht es wieder hoch hinaus. Auf einer Strecke von gerade mal 150 Kilometern klettern wir von 600 Metern auf 4.330 Meter überm Meeresspiegel. Verdammt dünn ist die Luft hier oben im Vikuña Nationalpark in dem unzählige dieser putzigen Tiere in einer weiten Graslandschaft herum laufen.

 

Nach zwei langen Fahrtagen erreichen wir schließlich Cusco, den Nabel der Welt für das mächtige Inkareich. Eine wunderschöne Stadt, mit engen und steilen Kopfsteinpflastergassen. Während wir den Weg zum Campingplatz suchen, finden wir diese allerdings nicht ganz so schön. Warum ist auch hinter jeder Ecke eine Baustelle? Nur mit Untersetzung kommen wir die steile Straße hinauf die uns unser Navi entlangführt, rechts und links nur wenige Zentimeter Platz. Aber wir kommen an und mittlerweile wissen wir auch, dass es einen einfachen Weg hierher gibt. Als wir auf dem Campingplatz ankommen, zähle ich ganz erstaunt: Eins, zwei, drei, ..., sieben, acht Camper mit deutschen, schweizer, französischen, kanadischen und holländischen Kennzeichen. Wow, so viele haben wir seit den USA nicht mehr gesehen.

 

Da gibt es natürlich unheimlich viel zu erzählen und topakutelle Informationen zu Straßenzuständen, Schlafplätzen und Sehenswürdigkeiten auszutauschen. Kein Wunder, das die Tage wie im Flug vergehen, ohne das wir viel von der Stadt gesehen haben oder auch nur eine der berühmten Inkastätten besucht haben. Aber das muss jetzt auch erstmal warten, denn für uns geht es wieder hinab in die grüne Hölle oder besser eines der letzten Paradiese diese Erde, den Parque Nacional del Manú.


Parque Nacional del Manú

10. – 16.07.2013

Eine grüne Hölle und gleichzeitig eines der letzten Paradiese unserer Erde mit tausenden bunter Vögel, grußeligen Spinnen, gefräsigen Riesenottern und dem König des Regenwaldes.

Der Manú Nationalpark im Südosten Perús ist eines der größten ursprünglichen Urwaldgebiete unserer Erde und schützt seit 1973 knapp zwei Milionen Hektar Land: Von der spärlich bewachsenen Puna über den Nebelwald bis in den artenreichen Regenwald Amazoniens. Pro Hektar wurden hier über 200 verschiedene Säugetierarten, 1.000 Vogelarten, 15.000 Pflanzenarten und 200 Baumarten gezählt. Unterteilt ist er in drei Zonen: Die kleine Zona Cultural, die frei zugänglich ist und wo es diverse Lodges und kleinere Dörfer gibt; die Zona Experimental dagegen darf nur nach Anmeldung von einer begrenzten Anzahl an Wissenschaftlern und Touristen betreten werden und das auch nur mit einem autorisierten Führer; und schließlich die Zona Natural, die knapp 80 Prozent der Fläche umfaßt und nur in absoluten Ausnahmefällen überhaupt betreten werden darf.

 

Früh morgens werden wir von unserem Guide William, der das Tourbüro Amazon Wildlife Perú in Cusco betreibt, abgeholt. Es ist noch dunkel und unsere kleine Reisegruppe wirkt noch ganz schön verschlafen. Mit an Bord sind ein schweizer Ehepaar, zwei junge Dänen, eine Thailänderin, die in den USA lebt und in Perú ein Parktikum macht, und ein Peruaner aus Lima. Außerdem Williams Eltern, die eine der Lodges in der Zona Cultural betreiben und gerade auf Urlaub in Cusco waren, und natürlich unsere Köchin, Señora Betti samt Kocher, Gasflasche, Töpfe, Geschirr, Besteck, Trinkwasser und Lebensmittel für die nächsten sieben Tage.

 

Wir kurven durch das karge Hochland während langsam die Sonne aufgeht, bis wir Tres Cruces auf 4.000 Metern Höhe erreichen. Geröll, vertrocknetes Gestrüpp und dichter Nebel umgeben uns. Hier beginnt der Parque Nacional del Manú. Mit jedem Meter, den wir auf der schmalen, kurvigen Straße immer weiter hinab fahren wird es wärmer und schwüler und die kargen Sträucher verwandeln sich in üppig grüne Bäume. Auf einer kleinen Wanderung entdecken wir im dichten Grün sogar den leuchtend roten Felsenhahn. Als wir die Albergue Mirador Pilcopata erreichen ist es bereits dunkel.

 

Am nächsten Morgen wechseln wir nach einer kurzen Fahrt in Atalaya das Transportmittel. Ab jetzt geht es nur noch im Boot weiter. Wir folgen dem Río Madre de Dios, der sich immer wieder teilt und um unzählige Kiesbänke herum sprudelt, flußabwärts. Das Wasser ist teilweise so flach, dass wir hören wie der Rumpf über die Steine schrappt.

 

Gggrrrrr, ggrrrruuu, grummel! Na toll, was kann man auf einem Jungeltrip wohl am besten gebrauchen? Mich schüttelts, mein Bauch krampft sich zusammen und gibt komische Geräusche von sich. „Baño break! Baño break!“ rufe ich verzweifelt. In letzter Sekunde springe ich an Land, laufe in die Büsche und ... (Naja, die Details las ich mal lieber!). Puhhh!

 

Eine halbe Stunde später stoppen wir an wunderschön im Dschungel gelegenen heißen Quellen. Alle springen begeistert ins Wasser, nur ich, ich verschwinde wieder im Gebüsch. Nervös beobachte ich die Ameisen und sonstigen Kriechviecher, die um meine nur in Flip-Flops bekleideten Füße herum krabbeln, während meine Gedärme ein Eigenleben führen und ich unfähig bin mich gegen die Bisse der unzähligen Beißfliegen und Mosquitos an Beinen und Füßen zu wehren. 50 verschiedene Stechmückenarten gibt es in Deutschland. Hier sind es über 100.

 

Als wir das Bonanza Ecologica Reserve erreichen, geht es mir schon wieder besser. Zum Glück, denn kaum sind wir angekommen und haben uns kurz in den Hängematten ausgeruht, geht es auch schon wieder weiter in den Urwald. Hier ist William aufgewachsen, noch bevor seine Eltern auf dem Gelände eine Lodge errichtet haben. Auf der einen Seite der Río Madre de Dios, auf der anderen Seite der Manú Nationalpark. Die einzelnen Bungalows mit nichts als einem gemütlichen, sauberen Bett und Mosquitonetz liegen in einem üppigen tropischen Garten. Schmetterlinge flattern um bunte Blumen herrm und die Luft ist erfüllt von einem Zwitschern und Zirpen.

 

Mit Gummistiefeln an den Füßen stapfen wir hinein in die Wildnis. Wir klettern über umgestürzte Bäume, tauchen unter armdicken Lianen durch und platschen durch sumpfige Flüsse bis wir eine Plattform an einem kleinen Tümpel erreichen. Die Sonne ist noch nicht ganz hinterm Horizont verschwunden, aber uns umgibt unter dem dichten Blätterdach bereits jetzt eine undurchdringliche Dunkelheit. Während unsere Augen nichts mehr sehen, wirken die Geräusche des Regenwaldes um so intensiver. Es wimmelt nur so von Leben. Die Zirkarden zirpen, die Vögel pfeifen, die Affen schreien und überall um uns herum raschelt es in den Blättern. Drei Stunden warten wir auf der Plattform darauf, dass sich das schwerste Tier vom Manú zeigt: Der Tapir. Aber leider vergebens.

 

Und als wir in der Dunkelheit zurück laufen, was schon grußelig genug ist, begegnen wir einem kleinen Kaiman, einer riesigen Vogelspinne und einer noch ungefährlichen Baby-Boa. Hungrig fallen wir über das Abendessen her, bevor wir alle todmüde ins Bett fallen.

 

Um halb sechs am nächsten Morgen, noch bevor die Sonne aufgegangen ist, sitzen wir schon wieder im Boot. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns. Es ist mir ein Rätsel, wie Señora Betti es schafft, uns sogar im Boot ein so leckeres Fühstück und Mittagessen zu servieren. Da gibt es für uns so ausgefallene Sachen wie Saft aus violettem Mais, Maniok gekocht oder als Chips fritiert, Kochbananen in allen erdenklichen Varianten, das Andengetreide Quinoa mit Hühnchen und und und.

 

Gegen Mittag lassen wir die Zona Cultural hinter uns. Hier, in dem besonders geschützten Teil des Manú Nationalparks, leben die los no contactados, Indianerstämme, die keinen Kontakt zur Außenwelt wollen. „Wilde“, wie man sie sonst nur aus Erzählungen kennt. Ein kriegerischer Stamm, der auch schon Pfeile auf Touristenboote geschossen hat, um sein Land zu verteidigen. Sogar die Rangerstation, die den Park vor illegalen Holzfällern schützen soll, musste verlegt werden, nachdem im letzten Jahr ein Ranger einen Pfeil im Rücken hatte. Seitdem ist es strengstens verboten, hier ans Ufer zu gehen. Na wie gut, dass heute mein Bauch ruhe gibt.

 

Vom Río Madre de Dios biegen wir flußaufwärts in den Río Manú ab. Ein milchig brauner Strom, der sich in unzähligen Windungen durch den Regenwald schlängelt. So dicht ist der Wald inzwischen, dass man keinen Meter weit hineingucken kann. Und so sehr ich mich auch anstrenge, kann ich keine zwei gleichen Bäume auf einmal sehen. Aber dank William sehen wir weiße und schwarze Kaimane, Schildkröten und Wasserschweine, Orinocogänse und Fischreiher, leuchtend rote Aras und grüne Papagaien und dann – Wow! – uns stockt der Atem. Wir trauen unseren Augen kaum, aber da auf der Sandbank liegt er, der König des Dschungels. So wunderschön glänzt sein goldenes Fell mit den schwarzen Kringeln und Punkten in der Sonne. Wir bekommen eine Gänsehaut, als er uns mit seinen bernsteinfarbenen Augen ansieht. Langsam und majestätisch erhebt sich der mächtige Jaguar und streift gemächlich am Ufer entlang ins hohe Gras. Kurz verlieren wir ihn aus den Augen, als er im dichten Grün verschwindet, nur um sich kurze Zeit später wieder zu zeigen. Und auch als er bereits ganz vom Regenwald verschluckt wurde, sind wir noch wie erstarrt. Wow, was ein Erlebnis!!!

 

Am Nachmittag erreichen wir die Casa Machiguenga. Weiter als bis hier darf kein Tourist in den Nationalpark vordringen. Zusammen mit einer deutschen Hilfsorganisation aufgebaut wird sie heute vom Stamm der Machiguenga geführt. Der erste Kontakt der Machiguenga mit der westlichen Zivilisation war eher der schockierenden Art. Erst versuchte man sie 1572 zu missionieren und dann in den 1880er Jahren im Zuge des Kautschukbooms zu versklaven. Heute leben gut 400 Machiguenga in Dorfgemeinschaften tief im Manú Nationalpark: Von hier noch weitere ein bis drei Tage mit dem Boot. Alle vier Monate wechseln sich einige Männer mit der Leitung der Lodge ab. Sie bringen Frau und Kinder mit, die sich aber meistens verborgen halten. Viele von ihnen haben noch nie den Regenwald verlassen. Autos, Fernseher, Handys, Computer, Kühlschänke sind für sie unbekannt.

 

Als wir die Lodge sehen sind wir baff. Vier spartanische Buschhütten sind umgeben von dichten unberührten Regenwald. Und trotzdem gibt es picobello Duschen und Toiletten. Alles sieht so liebevoll hergerichtet aus, obwohl wir uns in der absoluten Wildnis befinden. Soweit entfernt waren wir noch nie von der sogenannten Zivilisation – und vermissen trotzdem nichts.

 

Zusammen mit einem der Machiguengas geht es abends wieder hinein in den dunklen Wald. Über uns turnen rote Brüllaffen in den Baumkronen und als wir nach einer Stunde fast schon wieder zurück sind zischt er ganz aufgeregt „Jaguar“. Ich kann ihn in der Dunkelheit nicht erkennen, aber er war da! Ganz deutlich kann ich die Abdrücke seiner Tatzen im feuchten Waldboden erkennen. Danach traut sich im Dunkeln keiner mehr so richtig alleine raus. Wir gehen alle gemeinsam zum Essen, danach alle gemeinsam zum Duschhaus und alle gemeinsam zurück zu den Schlafhütten.

 

Im Laufe der Jahrhunderte hat der Río Manú immer wieder seinen Lauf verändert und dabei sichelförmige Seen hinterlassen. Ein optimaler Lebensraum für die vom Aussterben bedrohten Riesenotter. 60 Prozent von ihnen leben im Manú. Zwei Meter lang und 20 Kilo schwer können sie werden, wobei sie pro Tag vier bis fünf Kilo Fisch verdrücken.

 

Auf einem Holzfloß gleiten wir früh morgens über den stillen See Cocha Salvador. Einzelne Regentropfen hinterlassen immer größer werdende Ringe auf der Wasseroberfläche. Nur das Platschen des Paddels und das ein oder andere Vogelgezwitscher durchbricht die Stille. Pffff, pffff, platsch! Da sind sie! Erst zwei, dann drei, vier, fünf Riesenotter gleiten durchs Wasser. Tauchen unter und mit einem Fisch zwischen den Vorderbeinen wieder auf. Ganz schön gefräßig sehen sie aus, wie sie mit ihren Reißzähnen große Bissen verschlingen. Es macht richtig Spaß, ihnen beim Jagen und Fressen zuzuschauen. Und während die Riesenotter am Ufer entlanggleiten, verschwinden die Kaimane in die Mitte des Sees. Denn auch sie hätten gegen eine Gruppe Riesenotter keine Chance.

 

Zurück in der Lodge prasselt der Regen immer heftiger auf das Blätterdach und verwandelt den Waldboden in eine Matschlandschaft. Und auch der Wasserstand vom Río Manú steigt in wenigen Minuten um einen halben Meter. Aber als wir nachmittags zur Cocha Otorongo laufen, glitzern die Regentropfen schon wieder in der Sonne. Aus dem dichten Wald treten wir auf eine Plattform am See und es eröffnet sich uns ein traumhafter Blick. Unglaublich friedlich wirkt der See mit seiner spiegelglatten Wasseroberfläche. Nur der riesige schwarze Kaiman straft dem Frieden Lüge.

 

Als wir abends ins Bett gehen, lauschen wir noch stundenlang den Geräuschen des Urwalds um uns herum, denn am nächsten Morgen heißt es schon wieder Abschied nehmen. Wir wandern noch ein letztes Mal durch den unberührten Regenwald, vorbei an majestätischen Urwaldriesen, Mahagonibäumen im Wert von mehreren 10.000 Euro und Bäumen mit witzigen Dornen, bevor wir mit dem Boot wieder flußabwärts den Manú Nationalpark verlassen. Wir kommen an der kleinen Siedlung Boca Manú vorbei und verbringen eine Nacht in der Hummingbird Lodge. Natürlich erst nach noch einer spannenden Nachtwanderung.

 

Und doch wartet am nächsten Morgen noch ein Highlight auf uns. Immer wieder wird der Río Manú gesäumt von Lehmwänden. Regelmäßig versammeln sich hier morgens unzählige Papagaien, um Lehm zu fressen, denn die darin enthaltenen Mineralien helfen ihnen dabei, die schwer verdaulichen Früchte zu verwerten. Um kurz nach sechs werden wir bereits am gegenüberliegenden Ufer abgesetzt und beobachten gespannt den Himmel. Immer im Pärchen oder in Gruppen kommen sie angeflogen. Nach einer halben Stunde haben wir bereits 500 gezählt. Immer wieder flattern sie aufgeregt aus den Baumkronen auf und lassen sich langsam wieder nieder. Nach und nach gehen sie von den Bäumen an die Lehmwand, bis sie auf einmal wie von der Tarantel gestochen alle 500 laut kreischend auffliegen und verschwinden.

 

Als das Boot uns abgeholt hat, kämpft es sich mühsam wieder den Río Madre de Dios hinauf. Und als der Fluß zu flach wird, müssen die Männer ins Wasser springen und schieben. Natürlich halten wir Frauen an Bord gewissenhaft nach Kaimanen Ausschau. Und dann erreichen wir wieder Atalaya, wo wir vor einer gefühlten Ewigkeit ins Boot gestiegen sind. Oder waren es nur fünf Tage? Ich habe vollkommen das Gefühl für die Zeit verloren. Americo, unser Fahrer, wartet bereits mit dem Minibus auf uns.

 

Nur weit kommen wir nicht. Denn schließlich sind wir in Perú und da wird schon mal gerne wegen einer Baustelle ohne Vorankündigung die einzige Straße weit und breit gesperrt. Riesige Erdhügel und Baumaterial blockieren die Straße, nur Baumaschinen sind weit und breit nicht zu sehen. Und so beschließen wir schon mal zu Fuß in den nächsten Ort zu laufen und ein Bierchen zu trinken bis der Wagen durchkommt.

 

Es ist schon dunkel als Americo schließlich die Geduld verliert (die Baumaschinen sind immer noch nicht angekommen) und sein Auto (mir ist ein Rätsel, wie er das gemacht hat) über die Erdhügel quält und uns einsammelt. Nach einer Nacht in der Rainforest Lodge und einem weiteren langen Fahrtag sind wir wieder in Cusco. Und eigentlich würden wir am liebsten mit der nächsten Tour wieder zurück.

 

Die letzten sieben Tage waren super anstrengend, wir haben mehr juckende und brennende Bisse und Stiche als wir zählen können und trotzdem sind wir glücklich. Denn wir durften einige Tage in einem der letzten Paradiese unsere Erde verbringen. Am Ende haben wir über 50 Vogelarten, sieben verschiedene Affenarten, drei Kaimanarten, eine Familie Riesenotter, fünf Wasserschweine, diverse Spinnen, Schlangen, Armeisen (angeblich leben in einem der Urwaldriesen alleine 20 verschiedene Arten), Mosquitos und einen Jaguar gesehen. Das alles ohne Zaun und Käfig. Und was die Pflanzen angeht, keine Ahnung, wieviele verschiedene Bäume, Bromelien, Lianen und Pilze wir gesehen haben, aber fest steht, dass es für uns der mit Abstand schönste Wald überhaupt war!


Von Cusco zum Lago Titicaca

17. – 27.07.2013

Cusco die Zweite, viele Wege führen nicht nur nach Rom, unterwegs im Reich der Inka und ein riesiger See.

Zurück in Cusco fühlen wir uns schon fast heimisch. Alte Bekannte sind noch da und am Lagerfeuer (brrr, ist das wieder kalt in den Bergen) wird gelacht und gequatscht.

 

Das wichtigste Thema natürlich:„Wie komme man am Besten nach Machu Picchu?“. Denn es gibt nicht nur viele Wege, die nach Rom führen, sonder auch mindestens vier nach Machu Picchu. Da gibt es einmal den berühmten Inkatrail. Aber wenn man nicht ein halbes Jahr vorher bucht, keine Chance. Aber ehrlich gesagt, haben wir auf Laufen und Zelten nicht so wirklich Lust. Also fallen auch die weniger bekannte, mehrtägigen Wanderwege flach. Mit dem Zug von Ollanta wäre die bequemste Variante. Aber blöderweise ist jetzt absolute Hochsaison und so sind alle bezahlbaren Zugtickets (das Günstigste liegt schon bei 55 US$ pro Person für eine Strecke) ausverkauft. Und mal ehrlich, wer bezahlt schon 300 US$ für ein einhalb Stunden Zugfahrt!!?? Nein Danke!

 

Also bleibt eigentlich nur noch eine Möglichkeit. Der nicht mehr ganz so geheime geheime Hintereingang nach Machu Picchu. Mit dem Auto zum gut 200 Kilometer entfernten Santa Teresa. Davon die letzten 20 Kilometer über eine abenteuerliche Schotterstrasse am steilen Berghang.

 

Wären auf der Strecke nicht mindestens genauso viele Baustellen wie Inkaruinen gewesen, hätten wir es auch noch im Hellen geschafft. Aber nachdem wir über eine Stunde warten mussten bis die Fahrbahnmakierung getrocknet ist, tasten wir uns im Dunkeln die einspurige entlang und sehen erst auf der Rückfahrt wie nah und tief doch der Abgrund ist. Von Santa Teresa aus geht es am nächsten Tag mit dem Collectivo weitere acht Kilometer zu einem Elektrizitätswerk, wo die Straße endet und die Bahngleise beginnen.

 

Zehn Kilometer folgen wir den Bahngleisen. Immer ganz leicht bergauf über mehrere kleine Brücken. Rechts von uns auf der anderen Flußseite ragt steil der Heilige Berg auf. Und wenn wir ganz genau hinschauen können wir sogar die unteren Terrassen von Machu Picchu erkennen. Wie eine uneinnehmbare Festung wirken sie.

 

Nach knapp drei Stunden erreichen wir Aguas Calientes, das irgendwie wie ein Skiort wirkt. Nur Hotels und Restaurants zu total überteuerten Preisen. Wir quatieren uns im Hostal La Payacha ein, futtern unser mitgebrachtes Picknick und sind früh im Bett. Denn schon um 4:00 Uhr klingelt der Wecker und nur eine halbe Stunde später stehen wir in der Schlange für den Bus hinauf nach Machu Picchu.

 

Mit den ersten Besuchern strömen wir hinein in die Anlage und hinauf zum Aussichtspunkt. Den Sonnenaufgang können wir noch fast alleine genießen. Aber schon wenig später quetschen wir uns mit diversen Touristen über die alten Wege und Stufen der Inka. Wie gut, dass wir schon vorher in Cusco unsere Eintrittkarten gekauft haben, denn wie die gesamte letzte Woche sind auch heute alle ausverkauft. Das heißt mit uns tummeln sich ganze 2.500 Besucher auf dem heiligen Berg.

 

Vom heiligen Tor zum Sonnentempel. Über den heiligen Platz an Bauernhäusern vorbei zum königlichen Palast. Wir bestaunen Waserleitungssysteme und Lamas. Und dann suchen wir uns ein ruhiges Plätzchen auf einer der Terrassenfelder, lassen die Füße baumeln und uns die Sonne auf den Bauch scheinen. Und genießen einfach die grandiose Aussicht auf Machu Picchu mit der markanten Kulisse vom Wayna Picchu im Hintergrund. Vor uns fällt der Hang, wo die Terassenfelder aufhören, 400 Meter steil hinab zum Río Urumbama.

 

Irgendwann machen wir uns dann wieder auf den Rückweg. Mit dem Bus nach Aguas Calientes, zu Fuß an den Gleisen entlang nach Hydroelektrica und mit dem Colectivo nach Santa Teresa, wo unser Toyo auf uns wartet.

 

Am Ende sind wir ganze vier Tage unterwegs. Aber wir haben uns auf dem Weg auch andere Inka Stätten angeguckt. So wie Morey, das ehemalige Landwirtschaftszentrum der Inka. Es gibt auch Theorien, dass hier irgendwelchen Göttern gehuldigt wurde, aber wahrscheinlicher ist, dass auf den kreisföermigen Terrassen Saatgut produziert wurde. Nur vom Huldigen alleine konnten die Inka ja schließlich auch nicht gelebt haben. Oder die Salzterrassen von Pichingoto, die sogar heute noch genutzt werden. 3.000 Becken wurden hier in den Hang gebaut, in denen in der Saison jeweils pro Monat bis zu 250 Kilo Salz mühselig abgebaut werden.

 

Noch mal Wäschewaschen und Einkaufen und dann reißen wir uns entgültig los von Cusco. Die Straße ist gut und so gleiten wir in wenigen Studen bis nach Puno am Lago Titicaca. Wir befinden uns auf der berühmten Hochebene des Altiplano. Der Himmel ist von einem so intensiven strahlenden blau, wie ich es noch nie gesehen habe, und die Landschaft wirkt gestochen schaf.

 

Jetzt ist es nur noch ein kleines Stück, bis wir auf einer kleinen Halbinsel Perú verlassen und bolivianischen Boden betreten.