Reiseberichte Bolivien



Nördliches Hochland

27.07. –02.08.2013

Im Land mit den meisten Staatsstreichen, jungfräulicher Segen, unterwegs im Hexenkessel und hinab auf der Straße des Todes.

Obwohl Wochenende ist und außer uns noch unzählige Peruaner zum Wallfahrtsort Copacabana wollen, sind wir doch schneller als gedacht in Bolivien. Einziger Wermutstropfen, wir dürfen nur 30 Tage statt der eigentlich zulässigen 90 Tage im Land bleiben.

 

Jetzt sind wir also in Bolivien, dem ärmsten Land des Kontinents trotz seiner reichen Öl- und Gasvorkommen. Es ist fast dreimal so groß wie Deutschland, aber nur, weil es seit seiner Unabhängigkeit 1825 die Hälfte seines Territoriums an Argentinien, Brasilien, Chile und Paraguay verloren hat. Am meisten macht den Bolivianer dabei der Verlust des Meeres zu schaffen. Immer noch haben sie eine Marine und versuchen regelmäßig den Meereszugang von Chile zurück zu bekommen, aber keine Chance. Bolivien hat mit La Paz auf 3.200 bis 4.100 Metern den höchsten Regieungssitz der Welt und auch in Sachen Staatsstreiche sind sie Rekordhalter. In nur 150 Jahren gab es 200 Putsche und Putschversuche. Der aktuelle Präsident Evo Morales Ayma wird wegen seiner Wollpullover in der Welt belächelt und als erster indigener Präsident vom Volk geliebt. Naja, zumindest von einem großen Teil. 2009 hat er die Verfassung geändert, die jetzt die indigene Gerichtsbarkeit mit der staatlichen Justiz gleichstellt. Das heißt es gibt jetzt nicht nur 36 verschiedene Amtssprachen, sondern auch 36 verschiedene Vorstellungen von Recht. Während die sogenannte „Justicia Comunitaria“ in den entlegenen Dörfern durchaus ihre Berechtigung hat, führt sie in den Armenvierteln von La Paz zum Chaos und zur Lynchjustiz.

 

Davon zeugen auch die Strohpuppen, die in El Alto, dem berüchtigten Vorort von La Paz an Laternenmasten hängen und Diebe davor warnen, dass ihnen hier die Maximalstrafe nämlich der Tod droht.

 

Aber bevor wir La Paz erreichen lassen wir am Sonntag vor der Basilika von Copacabana zusammen mit über 90 Peruanern unseren Toyo segnen. Bei den Straßen in Bolivien kann der Segen der Jungfrau von Copacabana schließlich nicht schaden. Und auch bei der Fähre mit der wir über den Titicacasee übersetzen müssen. Fähre!? Okay, das ist vielleicht etwas übertrieben. Eher ein Holzfloß würde ich sagen. Aber auch wenn wir skeptisch sind, bringt es uns doch sicher ans andere Ufer.

 

In La Paz quatieren wir uns im, bei allen Reisenden bekannten, Hotel Oberlander ein. Auch wenn der Stellplatz im Hinterhof schon mal etwas eng werden kann, gibt es doch saubere, heiße Duschen und Toiletten, WiFi und sehr leckeres, günstiges Essen. Und natürlich trifft man hier auch wieder Gott und die Welt.

 

Die Zeit in La Paz vergeht wie im Flug. Unser Toyo wird in der Werkstatt mal wieder durchgecheckt und wir schlendern kreuz und quer durch die Stadt. Wobei wir immer wieder fasziniert die Cholas bewundern. Frauen, die weite Faltenröcke, die von mindestens drei Unterröcken aufgebauscht werden, Stolas mit langen Fransen und auf dem Kopf die Melone tragen. Im 18. Jahrhundert fingen zu Geld gekommene Mestizen, gering geschätzte „Mischlinge“, an die spanischstämmige Oberschicht nachzuahmen und sich wie sie zu kleiden. Dazu gehörte natürlich für Frauen auch der Hut. 1920 tauschten sie dann den Strohhut gegen die markante Melone. Warum weiß keiner so genau. Aber angeblich hat ein Händler statt schwarzer Melonen für die Männer unverkäufliche braune geliefert bekommen. Irgendwie gelang es ihm diese den Frauen als letzter Schrei in Europa schmackhaft zu machen und so wird sie noch heute Stolz getragen.

 

Vom Aussichtspunkt „Killi-Killi“ genießen wir den beeindruckenden Ausblick über La Paz und wir besuchen den Hexenmarkt in der Calle Linares. Hier gibt es so ziemlich alles zu kaufen, was das abergläubische Bolivianerherz begehrt. Alle möglichen Pülverchen und Tinkturen, aber auch Lamaföten die als Opfer für Pachamama wohl unter jedem Haus in La Paz begraben sind. Auch Pachamama selbst, die allmächtige Mutter Erde, gibt es als Tonfigur zu kaufen. Gerade haben wir August, der Monat in dem Pachamama mit einem Bärenhunger aus dem Winterschlaf erwacht. Genau die richtige Zeit um Opferschalen mit Süßigkeiten, Pülverchen und Kräutern zu verbrennen um Pachamama um Beistand gegen böse Geister, für Erfolg in der Liebe oder ein besseres Gehalt zu bitten.

 

Nach fast einer Woche in La Paz geht es dann für uns über die carretera de la muerte, die berüchtigte Todesstraße, hinab in die Yungas, das bolivianische Tiefland. In weniger als 100 Kilometern vom Pass Abra La Cumbre auf 4.650 Metern bis nach Coroico auf 1.750 Metern. Eine abenteuerliche Bergstraße in wunderschöner Landschaft. Immer am steilen Abhang (hier herrscht Linksverkehr damit der Bergabfahrende den Abgrund besser im Blick hat) schlängelt sich die schmale Straße entlang.

 

Bevor wir aber von Coroico weiter nach Rurrenabaque fahren können, müssen wir noch einen Tag ausharren. Denn auf der weiteren Strecke gibt es diverse Baustellen, die teilweise nur nachts und am Sonntag geöffnet sind. Und nachts wollen wir die abenteuerlichen Straßen weiß Gott nicht fahren.


Tiefland

03. – 18.08.2013

Die schlechtesten Straßen der Welt, tierreiche Pampa, auf den Spuren der Jesuiten und ein warmer Fluß.

Es ist Sonntagmorgen 5:30 Uhr als wir die noch schlafende Ortschaft Coroico verlassen. Noch ist es stockdunkel. Über 300 Kilometer Staub, Schlaglöcher, Wellblech und Baustelle liegen vor uns. Teilweise nicht weniger abenteuerlich als die berüchtigte Todesstraße, dafür aber mit viel mehr entgegen kommenden und überholenden Bussen, Colectivos und LKWs. Und wie auf der Todesstraße herrscht auch hier immer mal wieder Linksverkehr, damit der bergabfahrende Fahrer besser sehen kann wieviele Milimeter die Reifen noch vom Abgrund entfernt sind. Allerdings wechselt das mit dem Rechts- und Linksverkehr so häufig hin und her, dass wir als uns ein Bus hupend entgegenkommt beim besten Willen nicht mehr wissen auf welcher Seite wir denn jetzt fahren müssen.

 

Wir sind noch nicht wirklich weit gekommen, da versperrt ein Erdrutsch die Straße. Die piependen Baumaschinen sind schon fleißig bei der Arbeit, aber trotzdem warten viele hier schon seit zwei Tagen auf ein Durchkommen. Zum Glück sind es nur noch zwei Stunden, als wir ankommen. Aber als es dann endlich weiter geht halte ich die Luft an. Links geht es hunderte Meter steil bergab und rechts rieselt immer noch die Erde nach. Die Fahrspur ist so weich, dass sich bereits wieder tiefe Spurrillen gebildet haben – lange hält das bestimmt nicht...

 

Seit zwei Stunden ist es bereits wieder dunkel, als wir fix und alle und total eingestaubt den Camping El Mirador in Rurrenabaque erreichen. Nach der Fahrt würden uns keine zehn Pferde dazu bekommen, am nächsten Tag wieder weiter zu fahren. Aber das ist auch gar nicht nötig. Es gefällt uns so gut, dass wir gleich eine Woche hängen bleiben. Es ist endlich wieder angenehm warm, nein heiß und das kühle Bier schmeckt. Der erfrischende Pool lockt, wir haben einen traumhaften Ausblick auf den Ort und das weite, grüne Amazonastiefland, Rurre ist entspannt und hat alles was wir gerade brauchen. Außerdem gibt es da auch noch den super netten schweizer Besitzer, der uns nicht nur jeden Morgen mit frischen Brötchen, sondern auch mit spannenden Geschichten aus seinem Leben versorgt. Naja, und müssten wir nicht nach 30 Tagen wieder das Land verlassen, wären wir wohl noch länger geblieben...

 

Als wir schließlich Rurre Richtung Trinidad verlassen, dauert es bei den Straßen nicht lange, bis unser Toyo und wir wieder total eingestaubt sind. Und das obwohl wir bei jedem entgegenkommenden Fahrzeug wie die Verrückten die Fenster hoch kurbeln, die Lüftung schließen und bei weit über 40 Grad im Auto hecheln, bis sich der Staub wieder gelegt hat. Schnell Fenster runterkurbeln und gierig die Luft einsaugen, bevor das Spiel wieder von vorne beginnt.

 

Und nachdem wir auch die abenteuerliche Fähre kurz vor Trinidad überstanden haben (es ist sehr beruhigend, wenn kontinuierlich zwei Pumpen laufen um das Wasser aus dem irgendwie zusammengeschusterten Bretterfloß zu pumpen), biegen wir auf die Missionsroute ab.

 

Hier haben sich im 17. Jahrhundert die Jesuiten ausgetobt und hübsche Kirchen hinterlassen. Aber ansonsten gibt es hauptsächlich staubige Wellblechpisten und sonst nichts. Noch nicht mal Milch und Butter kann man hier kaufen. Und nachdem wir nach hunderten von Kilometern die wir durchgerüttelt und geschüttelt worden sind schon fast durchdrehen erreichen wir endlich wieder Asphalt. Welch eine Wohltat! Und so schön ruhig! Und so „unstaubig“!

 

In San José de Chiquitos treffen wir nach langer Zeit mal wieder Regula und Jan (mittlerweile das dritte Mal in Südamerika). Und da wir zufällig den gleichen Weg haben, machen wir uns gemeinsam auf nach Brasilien. Kurz bevor wir die Grenze erreichen, landen wir aber noch auf einem super schönen Campingplatz am Ufer eines tollen heißen Flußes. Vor allem morgens, wenn die Luft noch kühl ist und das Wasser dampft, die krächzenden Tukane und hübschen Aras über einen hinwegfliegen, ein echter Genuß.



Südliches Bolivien

24.08. – 08.09.2013

Auf den Spuren eines großen Revulutionärs, wir futtern uns durch die Hauptstadt und das Abenteuer Tanken.

Wir betreten Bolivien wieder auf dem gleichen Weg wie wir es verlassen haben. „Sie waren doch erst letzte Woche als Tourist im Land. Und jetzt wollen Sie wieder als Tourist einreisen?“ fragt uns der Grenzbeamte ganz erstaunt. Ja, was glaubt er denn? Dass der Kraftstoffschmuggel so lukrativ war, dass wir das jetzt gerne regelmäßig machen würden!?

 

Wir genießen noch ein wohliges Bad im heißen Fluß von Aguas Calientes bevor es an Santa Cruz vorbei nach Samaipata geht. Und hier bleiben wir dann erstmal. Denn obwohl wir vorher im tropischen Tiefland unterwegs waren, wo es meiner Ansicht nach immer heiß sein sollte, mußten wir doch Bekannschaft mit einem eher ungemütlichen Wetterphänomen machen. Nämlich dass der eisigkalte Patagonische Wind auch schon mal bis hierher bläßt. Und wenn aus 35 Grad plötzlich 10 werden, kann man sich auch schon mal eine dicke Erkältung einfangen.

 

Als ich mich wieder fit fuehle gibt es den Härtetest. Nach einer holprigen Taxifahrt geht es zwei Stunden immer nur bergauf zu einer Klippe, von wo aus wir tatsächlich, wow, einen dieser riesigen Andenkondore bewundern können. Der größte flugfähigen Vogel der Welt mit sage und schreibe drei Metern Flügelspannweite.

 

In Samaipata sind wir auf den Spuren des berühmten Ernesto Rafael Guevara de la Serna, oder besser bekannt als Che Guevara unterwegs. Laut Time Magazine übrigens einer der 100 einflußreichsten Menschen des 20. Jahrhunderts. Nachdem er ja in Kuba sehr erfolgreich war, wollte er es auch in Bolivien wissen. Aber naja, hat nicht ganz geklappt.

 

Wir passieren Vallegrande, wo er nach seiner Hinrichtung heimlich vergraben wurde (mittlerweile liegen seine Überreste allerdings in einem schicken Mausoleum auf Kuba) und übernachten in La Higuera am alten Telegrafenamt. Ein wirklich historischer Ort, denn von hier wurde im Oktober 1967 das Telegramm gesendet, das ihn verpfiffen hat. Nur wenig später wurde er verwundet und gefangengenommen und in der Schule von La Higuera hingerichtet. La Higuera ist ein niedliches und total verschlafenen Nest – und damit meine ich wirklich total verschlafen. Neben einer großen Büste von Che stehen hier keine zehn Häuser. Außer der jungen französischen Besitzerin des Campingplatzes begegnen wir einem alten Opi und einem kleinen Jungen, drei streunenden Hunden und einer Hand voll Hühner.

 

Am nächsten Tag erreichen wir Sucre, die Hauptstadt Boliviens. Zumindest ist sie das offiziell. Anders als La Paz ist die Bevölkerung viel jünger und moderner. Was wohl auch an den diversen Universitäten liegt. Wir fühlen uns wohl hier. Vom Hostel Pachamama, wo wir unseren Toyo sicher zwischen Blumenrabatten im Innenhof parken und fürs gleiche Geld wie fürs campen auch gleich noch ein Zimmer mit eigenem Bad dazubekommen, erkunden wir die Stadt. Oder vielmehr futtern uns durch die Stadt. Von frischen Säften über Zitroneneis mit Zuckerwatte und Schwarzbiereis mit kandierten Erdnüssen, köstlichen Pralinen, Pizza und Currywurst ist alles dabei.

 

Von Sucre geht es weiter hinauf in die Anden. Dass die einzige Verbindungsstraße nach Potosí (unser nächstes Ziel) wegen eines Autorennens für ein paar Stunden gesperrt ist, wundert uns eigentlich nicht. Aber der Müll und der kleine Schneesturm um die Silberstadt herum gefallen uns nicht wirklich. Und so erreichen wir nach nur einem Zwischenstopp die Ortschaft Uyuni am Rande des größten Salzsees der Welt. So groß, dass man ihn sogar aus dem Weltall sehen kann.

 

Bevor wir uns aber auf das Abenteuer einlassen, da heißt es natürlich noch mal volltanken. Und nachdem wir jetzt schon diverse Kilometer in Bolivien gefahren sind und sage und schreibe 14 mal getankt haben, können wir nur eins mit Sicherheit sagen: Man weiss nie, was einen erwartet.

 

Offiziell ist es ja so, dass Ausländer in Bolivien mehr für den Kraftstoff zahlen müssen als Einheimische. Und nicht nur ein bisschen mehr, sondern gleich das 2,5 fache. Und als wenn das nicht schon ärgerlich genug wäre, wird der arme Tankwart dazu verpflichtet, zwei unterschiedliche Quittungen auszufüllen. Eine über den einheimischen Preis und eine über die Differenz. Schön auf den offiziellen Quittungsblöcken aus La Paz mit Name des Fahrers, Führerscheinnummer und Kennzeichen. Da kann das Tanken schon mal eine halbe Stunde dauern. Vorrausgesetzt der Tankwart hat die richtigen Quittungsblöcke da und hat Lust diese auch auszufüllen. Ansonsten heißt es einfach: Wir verkaufen nicht an Ausländer. Schöner Mist!

 

Manchmal kann man auch mit dem Tankwart verhandeln (trotz Kameraüberwachung). Dann gibt es ohne Quittung Kraftstoff zum Schwarzmarktpreis. Wir sind glücklich weils billiger ist und der Tankwart hat sein Feierabendbier gesichert.

 

Aber es gibt auch die Tankwarte, die noch nie etwas vom Preis für Ausländer gehört haben und uns verständnislos angucken und wortlos auf die Zapfsäule zeigen, wenn wir nach dem Preis fragen. Das sind uns natürlich die Liebsten!

 

Es geht aber auch noch komplizierter. Da darf man dann nicht mit ausländischem Kennzeichen auf die Tankstelle fahren. Stattdessen parkt man etwas abseits und schnappt sich den Ersatzkanister. Dann geht es erst zum Kassenhäuschen, wo bezahlt wird und die Quittung mit meiner erfundenen bolivianischen Führerscheinnummer ausgefüllt wird. Damit geht es dann zur Zapfsäule und am Auto kontrolliert dann noch das Militär, dass auch der Kraftstoff wirklich ins Auto umgefüllt wird. Ganz schöne Sauerei, wenn man keinen vernünftigen Trichter dabei hat, aber zumindest zahlen wir nur den einheimischen Schnäppchenpreis.

 

Und das war nur ein Teil der möglichen Szenarien, wenn man in Bolivien mit ausländischem Kennzeichen zur Tankstelle fährt.


Salar de Uyuni und die Lagunenroute

09. – 15.09.2013

Traumhafter Horrortrip auf einem anderen Planeten über kühles Salz, vorbei an pinken Flamingos, farbigen Lagunen und Bergen als wären sie gemalt.

Uyuni, ein dreckiges Kaff am Rande des Altiplanos, dieser riesigen, im Schnitt über 3.600 Meter hohen Hochebene in den Anden. Wenn es von hier aus nicht mehr nur wenige Kilometer bis zum gößten Salzsee der Welt wären, gäbe es wohl keinen Grund überhaupt hierher zu kommen. Aber so heißt es noch mal randvoll tanken, Wasser auffüllen, Vorräte aufstocken, noch ein letztes mal eine heiße Dusche genießen und auf geht es ins Abenteuer!

 

Ab jetzt liegen 600 Kilometer Salzwüste und die Wildnis des Altiplanos vor uns, bevor wir San Pedro de Atacam in Chile erreichen werden. Bis dahin ist nichts mehr mit Tanken, Einkaufen oder sonstiger Infrastruktur...

 

Als wir die ersten Meter auf die Salzkruste des Salar de Uyuni rollen sind wir schon ganz schön nervös. Bis zu 72 Meter ist der See tief und bis zu 30 Meter ist die Salzkruste dick. Aber eben nur „bis zu“. Aber schon nach wenigen Kilometern werden wir immer mutiger. Uns umgibt nichts als gleisendes Weiss und strahlendes Blau. Jedes Gefühl für Geschwindigkeit und Zeit geht verloren, als wir dahingleiten, das leise Knirschen der Salzkristalle unterm Profil und das Ufer langsam verschwindet. Bis zum Horizont nichts als weiße, glitzernde Kristalle, die ein Viertel der Schweiz bedecken würden. Es ist faszinierend, unwirklich, lebensfeindlich und absolut still. Zumindest bis wir die Isla Incahuasi mit ihren über 1.000 Jahre alten Kakteen erreichen, wo ein Tourjeep nach dem anderen angebraust kommt und wieder verschwindet.

 

Nach zwei Tagen düsen auch wir weiter, verlassen die Salzwüste. Wir kommen vorbei an einsamen Hütten und riesigen Lamaherden, aber kaum einer Menschenseele. Irgendwann enden die offiziellen Straßen, weiter klettern wir über Steine, rumpeln über Wellblechebenen und treiben durch tiefen Sand.

 

Und während eben noch die Landschaft karg und trostlos wirkte, sieht es plötzlich so aus als hätte jemand seine Farbeimer verschüttet. Die Berge wirken so gestochen scharf vor dem kornblumenblauen wolkenlosen Himmel. Sie wechseln von schiefergrau mit leuchtenden gelben Grasbüscheln, zu rostrot, braun und orange, bestäubt mit in der Sonne glitzerndem Schnee.

 

Dazwischen tief blaue, matt türkies, leuchtend erdbeerrote Lagunen gespickt mit blass rosa und poppig pinken Flamingos. Aber im Gegensatz zu uns scheint ihnen das raue Wetter nicht viel auszumachen, selbst wenn ihre Füße morgens im eisigen Wasser eingefroren sind. Minus neun Grad zeig das Termometer an, als ich morgens erwache. Glitzernde Eiskristalle zieren das Wageninnere und während das Wasser im Wassertank gefroren ist, ist es in unserer Kühlbox tatsächlich wärmer als im Auto.

 

Aber mehr noch als die Kälte macht uns der unnachgiebige Wind zu schaffen. Er peitscht uns den Sand ins Gesicht, schleudert Steine gegen das Auto und manchmal können wir bei der Fahrt kaum noch bis zur Motorhaube gucken. Und so kämpfen wir uns weiter und weiter, bis wir auf 5.020 Metern (!!!) den bolivianischen Zoll erreichen. Ja, auch in dieser Wildnis geht nichts ohne Bürokratie. Es pfeift ein eisiger Wind und ich habe das Gefühl, dass er den eh schon wenigen Sauerstoff noch mit sich davon weht. Wir sind froh, als wir unsere Papier abgestempelt haben und langsam wieder etwas tiefer kommen.

 

Nach weiteren 60 Kilometern stehen wir dann an der Grenze nach Chile und das erste Mal auf unserer Reise zahlen wir freiwillig die „inoffizielle“ Ausreisegebühr von 15 Bolivianos (1,50 Euro) pro Person. Aber wir haben keine Lust mehr auf Diskussionen, sondern wollen nur noch in wärmere Gefilde mit mehr Sauerstoff.